Barocke Kirchen schmiegen sich an renovierte Altbauten, die in bunter Farbenpracht erstrahlen. Palmen ragen – hochgewachsen - dem strahlend blauen Himmel entgegen. Die höchstgelegene Hauptstadt der Welt wird von den majestätischen Gipfeln der Anden malerisch umrahmt.

Schon am frühen Morgen herrscht auf dem Unabhängigkeitsplatz, der Plaza de la Independencia, reges Treiben. Straßenhändler bieten ihre Waren den vorbeischlendernden Touristen an, Musikanten lassen lateinamerikanische Evergreens erklingen. Quito, im Dezember 2017.

US-Drahtzieher Moreno

Als ich mich vor knapp 1,5 Jahren in der Hauptstadt Ecuadors aufhielt, war Präsident Lenin Moreno – entgegen seiner Wahlversprechen - schon eifrig darum bemüht, die politischen Errungenschaften seines Vorgängers Rafael Correa zu demontieren und die Vorgaben aus den USA umzusetzen.

Vor dem Palacio de Gobierno, einem imposanten weißgetünchten Gebäude, geschmückt mit der gelb-blau-roten Staatsflagge, welches den Unabhängigkeitsplatz dominiert, starrte ein uniformierter Wachmann auf sein Smartphone. Im Palast war wieder Ruhe eingekehrt. Staatspräsident Lenin Moreno konnte aufatmen. Sein ehemaliger Parteifreund und Amtsvorgänger Raffael Correa war wieder nach Brüssel abgereist, in sein bis heute anhaltendes Exil. “Ecuador ist halt nicht Venezuela", raunte mir ein eleganter älterer Herr zu, der auf einer Parkbank sitzend in der Tageszeitung „La Hora“ blätterte.

Damals - die Krise in und um Venezuela war schon in vollem Gange - waren neben den innenpolitischen Kämpfen die massive Einwanderung von Venezolanern in die wohlhabenderen Länder Südamerikas, darunter auch Ecuador, Gegenstand der medialen Berichterstattung.

Südamerika droht zum Brennpunkt der Auseinandersetzung zwischen Ost und West zu werden

Die Einflussnahme Washingtons vollzog und vollzieht sich in Ecuador auch durch die massive Missionierung der Bevölkerung zu evangelikalen Sekten, was auch in Brasilien schon den reaktionären Präsidenten Bolsonaro an die Macht brachte, der selbst einer der sogenannten Freikirchen angehört, die in krasser Opposition zur Katholischen Kirche stehen, in Lateinamerika nicht selten von sogenannten Befreiungstheologen repräsentiert werden und politisch links stehen.

Das alles hat mit dem globalen Kampf zu tun, den die USA und die Volksrepublik China hinter den Kulissen um die Vorherrschaft weltweit austragen, ein Kampf in dem Südamerika zu einem Brennpunkt zu werden droht. Washington fürchtet eine wachsende Einflussnahme Chinas, welche durch die widersprüchliche Politik Trumps begünstigt wurde und wird.

Assanges Auslieferung

Durch die Auslieferung von Julian Assange, der am Donnerstag in Handschellen aus der Botschaft Ecuadors in London gezerrt wurde, beseitigt Präsident Moreno ein weiteres Erbe seines linken Vorgängers.

Assange, der Mitbegründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, wurde für schuldig befunden, gegen seine Kautionsauflagen in Großbritannien verstoßen zu haben, wofür ihm eine Haftstrafe von bis zu zwölf Monaten droht.

Das Video, welches die Verschleppung von Assange aus dem Botschaftsgebäude zeigt, wurde von seinen Rufen übertönt “Das Vereinigte Königreich muss diesem Ersuchen der Trump-Administration widerstehen.“ Das politische Asyl in der diplomatischen Vertretung wurde im August 2012 von der Regierung Correa gewährt und damit vor allem der Schutz vor Verfolgung durch die US-Justiz. Seither lebte Assange in der diplomatischen Vertretung.

Per Twitter hatte dann der willfährige Präsident Moreno am Donnerstagvormittag verkündet, dass Asyl Assanges zu beenden. Kurz zuvor hatte Moreno sogar davon geschwafelt, Assage und sein Vorgänger würden gegen ihn opponieren.

Assange entlarvte US-Kriegsverbrechen

Vor der Flucht Assanges in die Botschaft hatte Wikileaks Hunderttausende Dokumente des US-Militärs über Kriegsverbrechen in Afghanistan und im Irak veröffentlicht und online gestellt.

Darunter unter anderem auch ein Mitschnitt, welcher von der Bordkamera eines Kampfhubschraubers stammt und demonstriert, wie US-Soldaten in Bagdad Zivilisten – nicht zuletzt auch einen Reporter der Agentur Reuters – gezielt beschießen. Ferner gibt es Videos, die belegen, wie die US-Militärs auf eintreffende Hilfskräfte feuern.

Washington drängt auf Auslieferung von Assange

Was nun die Rolle der angeschlagenen Regierung in London angeht, so habe diese angeblich Präsident Moreno versichert, dass Assange nicht an ein Land ausgeliefert wird, in dem ihm die Todesstrafe oder gar die Folter droht. Ob damit auch die USA gemeint sind, die beides praktizieren, das eine offiziell - das andere inoffiziell, ist zur Stunde noch ungeklärt.

Die Regierung May erhoffte sich eventuell eine kleine Ablenkung, angesichts der desaströsen Regierungsbilanz bezüglich des Brexit. Auf jeden Fall drängt Washington auf eine Auslieferung.

Hat Moreno die Verfassung Ecuadors verletzt?

Zur Stunde wird in Ecuador von kritischen Journalisten und Juristen die Frage aufgeworfen, ob Präsident Moreno mit seiner Vorgehensweise die Verfassung seines Landes verletzt habe. Assange, Australier von Geburt, besitzt seit 2018 auch die Staatsbürgerschaft Ecuadors. Gemäß § 79 der Verfassung des Anden-Staates heißt es, dass keine Bürger Ecuadors ausgeliefert werden dürfen.

Zurück ins Jahr 2017

An einem meiner letzten Abende in Quito waren wir Gast im Hause eines wohlhabenden Unternehmers. Nachdem ich auf den Balkon seiner mondänen Penthouse-Wohnung getreten war, um etwas Luft zu schnappen und um die Aussicht auf das nächtlich erstrahlte Quito zu genießen, hatte die für den Abend angeheuerte Band schon die Melodie des von mir zuvor gewünschten Liedes.“Yo soy un hombre sincero!“ eingestimmt.

Der trotzige Gesang erklang und die anwesenden Gäste, Militärs und Models, Bankiers und Baulöwen, Politiker und Diplomaten, Fürsten und Filmschauspieler hielten für einen Moment inne. „Con los pobres de la tierra quiero yo mi suerte echar“, steigerte sich der dürftige, anklagende Text des Liedes. „Mit den Armen der Erde will ich mein Los teilen!“

Von den anwesenden Gästen, die sich der High Society Quitos, dem Globalen Jetset, ja der bonne société der feudalen Oberschichte Ecuadors zurechneten und müde zu tanzen begannen, hatte kein einziger die von mir beabsichtigte Anspielung begriffen.

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